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Der Alte Mann und das Meer

Nach dem letzten Liga-Rennen der Saison 2013 reifen die Erkenntnisse aus einer Saison mit vielen Höhen und einigen Tiefen.


Liga ist nicht gleich Liga

Multisport heisst nicht nur verschiedene Disziplinen miteinander zu kombinieren und gelegentlich die Distanzen zu variieren. Multisport heisst vor allem, parkettsicher auf unterschiedlichen Hochzeiten zu tanzen. In meinem Fall bedeutet das konkret, in unterschiedlichen Ligen mit unterschiedlichen Wettkampfmodi jeweils das Beste aus mir raus zu holen.

Der archtypische Triathlon über eine Olympische Distanz (OD: 1,5-40-10) oder eine Sprintdistanz (SD: 0,7-20-5), mit Windschattenverbot beim Radfahren, ist der wohl populärste Modus. Daneben bietet der Ligabetrieb mittlerweile aber auch andere, unterhaltsame und spannende Formate. 2012 zum Beispiel wurde ein NRW-Liga Rennen in Hückeswagen über die Mitteldistanz (MD) ausgetragen. Das erste Rennen der Seniorenliga wurde über ein Hybrid aus OD und MD ausgetragen, noch dazu aufgrund des Hochwassers als Duathlon (10-60-5). Die Bundesliga (BuLi) wird in Grimma seit 2012 als Jagdrennen mit einem Prolog aus Radfahren und Laufen am Tag vor dem Rennen ausgetragen. Die wesentliche Herausforderung ist -vorausgesetzt die Hausaufgaben sind erledigt und man bleibt von Pannen verschont-, die Renntaktik auf die jeweilige Strecke und Modus anzupassen.

Das letzte Rennen der 2. Bundesliga Nord, das heute in Krefeld ausgetragen wurde, war als Teamsprint über die SD angesetzt. Zu den Modalitäten: Fünf Athleten je Team treten an, vier davon müssen gemeinsam das Ziel erreichen. Dass hier die Taktik etwas anders aussieht, als einfach vom Startschuss an loszuballern, hat mein Team heute schmerzlich in der ersten Wechselzone (T1) erlebt: Herr Nyeste hatte heute Verspätung. 


Warten auf Nyeste

Da stand also mein Team in der Wartebox und hat wahrscheinlich schon Wurzeln geschlagen, sich gewundert, geärgert, oder auch alles gleichzeitig. Bis "Mösjöh Nyeste" sich endlich in T1 bequemt hat. Das ist aus verschiedenen Gründen bitter.
Erstens ist in der BuLi jede verschenkte Sekunde eine verfluchte Ewigkeit. Für den Wechsel wird jeder einzelne Handgriff bis zur Perfektion trainiert, weil es eben sehr schmerzhaft ist, auf einer Teilstrecke der SD diese Sekunden wieder gut zu machen. Einige Sekunden können darüber entscheiden, ob man die Radgruppe erwischt, oder eben nicht. Mein Team musste geschlagene 25 Sekunden auf mich warten. Wenn ich mir vorstelle, wie oft ich auf der Bahn die Laktatbombe zünden muss, um auf 5km 25 Sekunden schneller zu laufen, dann ... aua, aua, aua.
Zweitens, bin ich als ehemaliger Schwimmer für meine leidigen Dauerpredigten bekannt, dass Triathleten gefälligst richtig(!) schwimmen lernen sollen - auch, bzw. erst recht ohne Neopren!
Drittens, und daran hat dieses Rennen nichts geändert, bin ich immer noch überzeugt, dass das derzeitige Herrenteam der SSF das Potential hat, sich in der vorderen Hälfte, ohne Ausfälle sogar im ersten Drittel der Gesamtwertung in der 2. Bundesliga Nord zu platzieren.

Die letzten beiden Disziplinen hat das Team bärenstark gemeistert. Die Teamleistung beim Radfahren UND beim Laufen waren phänomänal. Der Belgische Kreisel hat, wie ein Uhrwerk, einwandfrei funktioniert. Nach einem Blitzwechsel in T2 wurde das Tempo beim Laufen gleich hochgezogen. Es wurde geschoben, angefeuert, gefightet. Es kommt nicht oft vor, dass ich nach einer SD halbtot durchs Zieltor falle. Der Schmerz hatte sogar Körperteile erobert, von denen ich gar nicht wusste, das sie wehtun können. Schade, dass es trotz allem für das Team nur für Platz 14 gereicht hat.

Ausgerechnet wegen meinem Aussetzer hat mein Team heute also eine feine Platzierung verpasst. Das ist ärgerlich und nicht zuletzt für mich persönlich auch ein unschöner Saisonausklang.




Achterbahn

Die Enttäuschung über die eigene Leistung ist groß. Bereits letztes Jahr habe ich mir bei meiner Vorstellung in Weimar keinen Ehrenpreis eingeheimst, als ich beim Abschlussrennen der 2.BuLi Nord (Teamsprint) bereits beim Radfahren nicht mehr mithalten konnte.

Zwar interessiert mich die Meinung anderer wenig, wenn es um sportliche Erfolge geht. Zum Beispiel fand ich meinen 33. Platz in Eutin (OD 2. BuLi) wesentlich stärker, als meinen ersten Platz in Hennef (OD Seniorenliga). 

In Eutin war ich damit der Letzte im Team und damit das Streichergebnis. Nach einem katastrophal langsamen Schwimmen konnte ich noch ordentlich Rad fahren, zur ersten Radgruppe aufschliessen und vernünftig laufen. Vor allem war ich sehr glücklich über einen 6. Platz für mein Team.

In Hennef dagegen war ich bereits nach dem Schwimmen über eine Minute vor dem Zweiten und habe die Führung bis ins Ziel noch ausbauen können, was die Spannung wesentlich gemindert hat. Leider musste mein Team dann auch noch unseren Erzrivalen knapp den Vortritt lassen, was in meinen Augen sogar einen Einzelsieg in der Liga vollkommen grotesk aussehen lässt. 

Lange Rede, gar kein Sinn: meine masochistische Ader ist anscheinend lieber Krücke unter Königen, als umgekehrt.



Ist die Liga zu hart, bist Du zu weich!

Warum das Ergebnis von Krefeld meine Laune dennoch trübt, hängt nicht nur an meinem Schwimmversagen. Die Erkenntnis wird immer schwerer zu leugnen, dass ich anscheinend mit dem Wettkampfmodus nicht klar komme. 

Irgendwie habe ich eine Barriere im Kopf, beim Schwimmen die Ellenbogen auszufahren. Meine zwei schlimmsten Schwimmerlebnisse vor Krefeld waren das Schwimmen in Kona und in Rio, wo ich beide Male fast ersoffen wäre. Das Schema ist immer gleich. Erst komme ich in die Waschmaschine, d.h. vor mir baut sich eine Wand von langsamen Schwimmern auf, während die Athleten hinter mir auf mich aufschwimmen und meine Beine und Becken unter Wasser drücken. Gleichzeitig kriege ich von links und rechts Druck, manchmal auch Dresche, verschlucke mich und kriege Panik. Danach Hyperventilieren, noch mehr Panik und Brustschwimmen. Ok, die meterhohen Wellen haben in Krefeld gefehlt, Ergebnis bleibt aber gleich. Wenn ich dann nach dem Wettkampf von einem Teilnehmer auch noch höre, dass er einem anderen "voll auf den Kopf gehauen" hat, weil dieser sich an seinem Bein langgezogen hat, dann steigert das meine Begeisterung für das Schwimmen in der BuLi nicht wirklich. Wobei ich jetzt nicht genau weiss, was ich von beiden Aktionen für schlimmer halten soll.

Alleine der Start in meinen letzten BuLi-Rennen war immer gleich: Startlinie wird bekannt gegeben, die Teilnehmer reihen sich auf und ca die Hälfte treibt langsam immer weiter vor die Startlinie. Diesmal hat der Starter hartnäckig auf die Einhaltung der Startlinie bestanden und minutenlang auf die -bei aller Liebe- dämlichen Vollpfosten eingeredet, die hartnäckig null Reaktion gezeigt haben. Meistens wird das Rennen ja trotzdem gestartet, warum also an der Startlinie starten?

Nach dem Start sprinten alle erstmal kräftig los. Legitim, es heisst ja auch nicht umsonst "Sprint". Allerdings ist nach einigen hundert Metern das erste "retardierende Moment", je nachdem wo die erste Boje steht. Wenn man da nicht vorne und aus dem Getümmel raus, ist kommt man unweigerlich in eine unangenehme Situation: Dresche oder Umweg. In Eutin habe ich Variante Umweg probiert und habe die Bojen mit weitem Abstand umschwommen. Ich hatte meine Ruhe, bin aber jedes Mal zurück gefallen. Jetzt also mal die Alternative: rein ins Gekloppe - Ergebnis s.o. Ich bin ratlos.

Einzige Medizin, die mir einfällt: mehr Schwimmen trainieren. Das geht aber nicht immer, weil ich im Unterschied zum Großteil der Teilnehmer der "Schüler- und Studentenliga" in meiner Freizeitgestaltung vergleichsweise eingeschränkt bin. Mir macht mein Job Spaß und eines seiner großen Vorzüge ist der Abwechslungsreichtum. Selbst wenn ich an meinen Einsatzorten immer ein Schwimmbad und die Zeit zum Trainieren fände, hätte ich keine Lust alleine zu trainieren und mich dann von irgendwelchen Bauchwäschern beschimpfen zu lassen, wenn ich beim Kraulschwimmen ihre Haare nass mache. Da ich viele Jahre Kacheln gezählt habe, möchte ich außerdem auch gar nicht so viel Zeit mit Schwimmtraining verbringen. Und damit höre ich mich so an, wie die von mir immer verschrienen "Treibholz-Triathleten", die genaugenommen verkappte Duathleten mit Seepferdchen-Abzeichen sind.


Quo vadis?

Keine Ahnung, wie es weitergeht. Bereits nach Rio 2011 habe ich mir vorgenommen ein Jahr Auszeit vom Rennbetrieb zu nehmen. Dann war die Verlockung doch zu stark und ich habe meine "guten Vorsätze" schnell über Bord geworfen. Dass ich es nicht bereut habe, wäre eine blanke Untertreibung. 2012 gleiches Spiel. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass ich davon je loskomme. Die Abwechslung und Variation ist ein Gut, das ich sowohl im Privatleben, als auch beruflich hoch schätze. An Vielfältigkeit mangelt es in meinem Wettkampfkalender jedoch auch ohne Bundesliga nicht.

Von der lange geliebten Langdistanz bin ich damals auch erst nach viel gutem Willen und einigen ernsten Rückfällen losgekommen. Man soll niemals "nie" sagen, aber ich denke, Abwechslung heisst in dem Fall, wirklich etwas zu ändern. Am besten solange ich selbst die Wahl habe. Vor allem jedoch, bevor die "Waschmaschine des Faktischen" mich womöglich einholt.

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