Am Material hat's nicht gelegen.
Aber mal langsam. "Langsam" hat schon beim Rennen gut funktioniert. Warum sollte es hier also anders sein?
Prolog
Nach 5 Langdistanz Triathlons und in seiner 9. Triathlon Saison, sollte man von jemandem wohl annehmen, er hätte mittlerweile genug Erfahrung, um zumindest keine Fehler vom Kaliber "blutiger Anfänger" zu machen. Möglicherweise haben Langdisztriathlons ihre eigenen Gesetze. Und nicht nur das, sondern, wie mir wieder klar geworden ist, sogar wahrscheinlich jedes Rennen seine eigenen. Möglicherweise ist ja genau das der Reiz bei Langdistanz-Rennen.
Diesmal, nach zwei Jahren Abstinenz, hatte ich mir ein "echtes Männerrennen" vorgenommen: Lanzarote ist bekannt für seine harten Bedingungen. Wind, Hitze, und nicht zuletzt das Höhenprofil der Radstrecke garantieren, dass der treue Kunde hier für seinen teuer bezahlten Startplatz garantiert auf seine Kosten kommt.
Nach einer verletzungs- und krankheitsfreien Vorbereitung bin ich einige Tage vor dem Rennen mitsamt der Managerin meines Herzens -meiner Frau- auf Lanzarote gelandet. Im Club la Santa stand für mich eigentlich nur noch lockere Bewegungstherapie auf dem Programm. Meine Frau schwimmt täglich um die 5km, ich plantsche kurz mit, und hänge ansonsten nur faul irgendwo rum.
Im Vorbeiflug dann doch noch schnell einen "Mini-Triathlon" im Club mit genommen, die Form stimmt. Möglicherweise der erste Fehler, aber sei's drum. Ich kriege nicht alle Tage die Chance ein Rennen zu gewinnen, da ist die Gier verständlicher Weise wohl zu groß. Dass es nur ein läppischer Club-Triathlon ist, bei dem überwiegend englische Pauschaltouris starten, stört mich kein Stück. Sport muss wenigstens ab und zu auch impulsiv sein, vom Trainingsplan abweichen...Spaß machen halt!
Das Rennen
3,8 km Schwimmen
So geht es also am 22.05.2010 in Herrgotts Früh an den Start mit ca 1500 anderen Sportbegeisterten. Erkenntnisse Minuten vor dem Start:
- Um 7 ist die Sonne noch nicht zu sehen.
- Mit einer dunklen Schwimmbrille ist es in der Dämmerung ganz schön schwer etwas zu erkennen, geschweige denn irgendwelche Bojen. Naja. Im Wasser mit hunderten panisch zappelnden Triathleten kann das schon ganz anders aussehen.
- Die anderen 1499 Starter haben diese Erkenntnisse scheinbar antizipiert (keine einzige dunkle Schwedenbrille im Starterfeld zu erkennen). Fehler? Ach, was!
Also erstmal schön außen schwimmen und möglichst jeglichen "Feindkontakt" vermeiden. Als guter Schwimmer kann ich auch locker einige Meter mehr schwimmen. Das tue ich dann besser auch. Alles läuft glatt. Quasi "Vom Feeling her ein gutes Gefühl."
Komme -wie erwartet- ohne Probleme aus dem Wasser. Obwohl ich prinzipiell gerne Schwimme, bin ich immer froh, wenn ich dem Haifischbecken entsteige und den Neo endlich ausziehen kann. Beim Radfahren ist die Aussicht schöner, das Essen besser und die Gegner per Reglement weiter weg, hehehe. Das Rennen kann losgehen.
180 km Radfahren (2554 Höhenmeter!)
Für alle, die immer noch glauben, auf Lanzarote gäbe, es wie bei jedem Ironman, eine 180km Radstrecke zwischen Schwimmen und Laufen: ihr täuscht euch! Das ist keine Radstrecke. DAS ist eine Schlachtbank!
Wir können meinetwegen darüber streiten, ob es eine Schlachtbank mitbesonders schöner Aussicht, besonders netten Helfern an den Verpflegungsstellen, oder besonders schönem Wetter ist. Dennoch: es ist und bleibt eine Schlachtbank. Und über die müssen alle Lämmchen rüber.
Bis jetzt dachte ich immer, ich sei ein mittelmäßiger Radfahrer. Mit 5000 Radkilometern in der Vorbereitung -darunter viele Berg-Kilometer- hätte ich alles dagegen gewettet, dass ein mittelmäßiger Radfahrer sein Rad auf einer IM-Radstrecke schieben muss. Von diesem Irrglauben bin ich jetzt geheilt. Vielleicht ein weiterer -und womöglich entscheidender- Fehler: Selbstüberschätzung und Naivität.
Bilanz: jeder Höhenmeter und jeder Kilometer im Wind = ein Lebenstag weniger.
42,2km Laufen
Als ich aus T2 raus laufe, sehe ich die erste Frau vor mir. Das darf natürlich nicht sein. Also erstmal ordentlich los feuern und vorbei an ihr. Das Publikum jubelt frenetisch. Ich bin ein Idiot. Egal, ich fühle, ich muss Gas geben. Für die 10 Stunden Marke muss ich den Marathon auf die Sekunde genau unter 3:30 Stunden laufen. Kampftaktik: Flucht nach vorn.
So ab km 15 gerät die Flucht ins Stocken. Bei km 25 hätte es mich ja nicht überrascht. Aber irgendwie passt mir das jetzt ganz schlecht. Wird schon. Einfach mal ein bisschen raus nehmen. Meine Frau feuert mich an. Ich sage zu ihr, die Radstrecke habe mir den Stecker ziemlich gezogen. Sie brüllt mir entgegen:"Das macht nichts! Die anderen sind auch total beschissen!"
Race-t Du noch oder finishest Du schon?
Bei km 30 bin ich schon einige Minuten über dem Marschplan. Die Beine sind schwer, der Kopf jedoch klar. Ich rechne mir aus, dass ich die letzten 12km in grandiosen 54min laufen müsste. Naja. "Nicht mit diesen Beinen." denke ich und hake das Thema. Statt dessen beschließe ich, die letzte Schleife noch zu genießen. Die mentale Reißleine ist gezogen, der Bremsschirm geht auf. Jetzt wird gefinished.
Das mit dem Genießen klappt tatsächlich ganz gut. Jedes mal, wenn ich jemanden sehe, der mir entgegen kommt und noch keine zwei Bändchen hat, siegt die Schadenfreude über den Schmerz und ich fühle mich nicht ganz so beschissen. Ich bin nicht nur ein Idiot, sondern ein Arsch noch dazu. Lieber als Idiot und Arsch ins Ziel kommen, als gar nicht. Danach bin ich wieder lieb, human und weniger gemein, versprochen...ganz großes Pfadfinderehrerwort!
Im Zieleinlauf setze ich noch einen drauf: Händchen haltend mit meiner Frau vorbei am Zuschauerspalier; Hollywood lässt grüßen. Kaija schämt sich, läuft weiter und ist im Ziel gleich wieder verschwunden, während ich noch für ein "You are....an IRONMÄHN!"-Foto posiere und meine Medaille vom Renndirektor umhängen lasse.
Fazit
Alles in Allem ein sehr schönes Rennen.
Ok, das Ergebnis ist nicht so schön, wie erhofft. Klar wäre ich gerne unter der 10 Stunden Marke geblieben. Klar hätte ich gerne meinen Hintern schneller und müheloser über die Berge gewuchtet. Und klar hätte ich anschließend gerne einen vernünftigen Marathon gelaufen. Und natürlich hätte ich die Quali auch noch gerne -quasi "nebenbei"- mitgenommen. Klar.
Alles in Allem war aber mehr ums Verrecken nicht drin. So ist das halt, wenn man es drauf anlegt, die eigenen Grenzen raus zu finden. Manchmal findet man sie tatsächlich. Dieser Erfolg, die Erlangung dieser Erkenntnis, ist auch zu würdigen. Noch dazu in einer der wahrscheinlich schönsten Kulissen auf der Erde.
Es kommen noch andere Rennen. Die Saison ist noch jung. Das Wichtigste ist, dass das Training mit den Teams Spaß macht und ganz sicher nicht umsonst war.
Lanzarote hat mich eines gelehrt: Ob man's mag oder nicht, nach jedem Tal, kommt wieder ein Berg...ganz sicher ;-)
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